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Wenn Papa hinter Gittern sitzt…

Datum:
Veröffentlicht: 30.4.12
Von:
Marion Krüger-Hundrup

Vater-Kind Gruppe in der JVA Bamberg

Resozialisierung: Gefängnisseelsorger Michael Kutsch-Meyer hat in der JVA Bamberg eine Vater-Kind-Gruppe ins Leben gerufen. Die Häftlinge bekommen ein Mal im Monat Besuch von ihren Söhnen und Töchtern, den sie zum Spielen und Reden nutzen.
 

Wenn Papa hinter Gittern sitzt…

 

Resozialisierung: Gefängnisseelsorger Michael Kutsch-Meyer hat in der JVA Bamberg eine Vater-Kind-Gruppe ins Leben gerufen. Die Häftlinge bekommen ein Mal im Monat Besuch von ihren Söhnen und Töchtern, den sie zum Spielen und Reden nutzen.

 

von Marion Krüger-Hundrup

 

Bamberg - Lukas stürmt auf seinen kurzen Beinchen zu seinem Vater: „Papa, Papa!“ ruft der Dreijährige immer wieder. Martin W. (Namen der Väter und Kinder geändert) fängt den Buben mit offenen Armen auf, drückt ihn an sich, küsst ihn zärtlich auf die Wangen. „Seit vier Wochen freue ich mich auf diesen Tag wie ein kleines Kind“, strahlt der 53-Jährige. Er gehört zu der Vater-Kind-Gruppe, die der katholische Gefängnisseelsorger Michael Kutsch-Meyer in der JVA Bamberg ins Leben gerufen hat.

„Ich erlebe in Gesprächen mit den Häftlingen, wie sehr die Väter ihre Familien vermissen“, sagt der Pastoralreferent. Selber Vater zweier Kinder weiß Michael Kutsch-Meyer auch, wie wertvoll gestärkte familiäre Beziehungen sind. Und dass die Strafgefangenen nur zu genau ahnen: „Es lohnt sich, für die Kinder etwas zu ändern.“

Nur die Gitter an den Fenstern mit den farbenfrohen Vorhängen erinnern daran, dass dieser Besucherraum im Knast liegt. In einer Ecke türmen sich Spielzeug und Plüschtiere, auf den Tischchen stehen Utensilien für Basteleien bereit. Sechs Väter kommen jeweils in den Genuss des monatlichen Besuches ihrer Kinder: 90 Minuten unbeschwertes Miteinander und ungeteilte Aufmerksamkeit füreinander.

Lukas sitzt seinem Papa auf dem Schoß, und gemeinsam bauen sie ein Playmobil-Auto zusammen: „Wo kommt der Auspuff hin? Soll dir der Papa helfen?“ fragt Martin W. sein Söhnchen und führt die kleine Hand an die richtige Stelle des Spielautos. Zwischendurch naschen die Beiden Schokolade aus dem Automaten im Raum. „Meine Frau will mich nicht sehen“, bedauert Martin W. leise. Umso froher sei er, dass sie den Kleinen zu ihm lasse. „Ich bin Papa mit Leib und Seele“, bekennt er. Die schlimmste Strafe sind für ihn nicht die neun Monate Haft wegen Betrugs, sondern „dass ich auf mein Kind verzichten muss“.

Der vierjährige Paul und sein Vater Alexander M. sitzen eng beieinander und üben sich im Eierbemalen. „Mir tut das sehr gut, meinen Buben zu sehen“, freut sich der 30-jährige Häftling. Paulchen begreift noch nicht, was es heißt, hinter Gittern zu sitzen. „Hauptsache, er vergisst mich nicht“, schwingt eine Befürchtung in Alexander M. Stimme mit. Neun Monate muss er den Bewährungswiderruf absitzen: wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung.

Behutsam streichelt er über Pauls Köpfchen. Seine Frau erwartet das vierte Kind: „Bei der Geburt kann ich nicht dabei sein“, kommen Alexander M. die Tränen.

„Die Vater-Kind-Gruppe soll keine Missionsveranstaltung werden“, stellt Udo Bruha klar. Der evangelische Gefängnisseelsorger unterstützt seinen federführenden Kollegen Kutsch-Meyer. Die Gruppe könne lediglich ein „Familien stützender Baustein“ sein, meint Bruha. Doch ein „zunehmend wichtiger“, ergänzt Pastoralreferent Kutsch-Meyer. Zumal gerade die Kirche die Bedeutung von Familie für den Zusammenhalt der Gesellschaft betone. In Einzelgesprächen mit den Vätern versuche er, diese Sicht zu vermitteln. Und um dann auch tatsächlich die ganze Familie eines Häftlings zu erreichen, plant Kutsch-Meyer „eine parallele Gruppe mit Müttern draußen“. JVA-Leiter Hans Lang steht jedenfalls voll hinter all diesen Bemühungen. „Es geht um Resozialisierung“, ist er sich mit den Gefängnisseelsorgern einig.

Inzwischen tummeln sich Väter mit ihren Söhnen auf dem Fußboden. Die einen türmen Bauklötze zur Ritterburg auf, die anderen veranstalten ein Autorennen mit Spielzeugwagen. Währenddessen konzentrieren sich Alina und ihr Vater Christian K. auf ein Schachspiel. Nach dem Schach-Matt – „meine Tochter gewinnt immer“ – berührt der 51-Jährige sanft Alinas Hand: „In dieser Zeit können wir unbeschwert miteinander umgehen, und ich kann genau auf die Bedürfnisse meiner Tochter eingehen“, sagt Christian K. In den sonst üblichen 45 Minuten, die ein Regelbesuch dauern dürfe, ginge das nicht. Vor allem stünden dann die Probleme und Fragen der Ehefrau an und weniger die Sorgen des Kindes. Für die elfjährige Alina ist es einfach „sehr schön, meinen Papa für mich zu haben“, wie sie erklärt. Und es sei schließlich „ganz normal, Papa im Gefängnis zu besuchen“, betont das Mädchen. Udo Bruha nickt bestätigend: „Die Kinder gehen zum Vater und nicht zu dem Verbrecher, der im Gefängnis sitzt.“

Die Besuchszeit ist um. Die Kinder müssen sich von ihren Papas verabschieden. Wie schwer das allen fällt! Im Pfortenbereich der JVA nehmen die Mütter ihre Kleinen in Empfang.

 

Ehrenamtliche in der JVA

Die Vater-Kind-Gruppe in der JVA Bamberg wird von drei Ehrenamtlichen begleitet, die sich abwechseln. „Es ist immer eine Frau dabei, um zum Beispiel die Kinder bei Bedarf auf die Toilette führen zu können“, sagt Gefängnisseelsorger Michael Kutsch-Meyer. Die Häftlinge dürfen den verschlossenen Besucherraum nicht verlassen.